Biografie
Hermann Sudermann 1857 – 1928
Hermann Sudermann zählt zu den bekanntesten Schriftstellern Ostpreußens. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, zog es ihn schon früh in das kulturelle Zentrum Berlin, wo er als Dramatiker und Romancier Ende der 1880er Jahre reüssierte. In der Folgezeit gestaltete er das kulturelle Leben der Metropole nicht nur literarisch, sondern auch mit streitbarem politischem Einsatz entscheidend mit. Seine Werke trafen den Geschmack des wilhelminischen Publikums; Sudermann galt als einer arriviertesten Schriftsteller seiner Zeit. Erst nach der Jahrhundertwende begann seine Beliebtheit nachzulassen, was nicht zuletzt mit dem heftigen Disput zusammenhing, den er sich mit Alfred Kerr und anderen Kritikern über Usancen der Theaterkritik lieferte. Obwohl es stiller um ihn wurde, blieb er weiterhin sehr produktiv und verfasste u.a. den Erzählband „Litauische Geschichten“, die ihm als einem der großen Erzähler einen Platz in der deutschen Literaturgeschichte sichern.
1857 – 1874 Kindheit, Jugend in Ostpreußen
1875 – 1888 Königsberg, Berlin. Erste literarische Schritte
1889 – 1902 Zeit der großen Erfolge, Liberales Engagement und Blankensee
1903 – 1921 Reisen, Hinwendung zur Prosa und Nationalkonservatives Engagement
1922 – 1928 Letzte Jahre und letzte Werke
1857 – 1874 Kindheit, Jugend in Ostpreußen
Am 30. September 1857 in Matzicken, Memelland, geboren als ältester von vier Söhnen des Bierbrauers Johann Sudermann (1818-1887) und Dorothea, geb. Raabe (1825-1923). Umzug der Familie nach Heydekrug.
Unterricht in Privat- und Oberschulen bis zum Einjährigen, danach Besuch der Realschule Elbing bis zur Obersekunda.
Abgebrochene Apothekerlehre in Heydekrug.
Besuch des Realgymnasium in Tilsit, Abitur 8.3.1875.
1875 – 1888 Königsberg, Berlin. Erste literarische Schritte
1875-1877 Besuch der Albertina in Königsberg, Fächer Philologie (neuere Sprachen), Philosophie, Geschichte. Für kurze Zeit Mitglied der Burschenschaft „Littuania“.
Ab 21.4.1877 Fortsetzung des Studiums mit Unterbrechungen an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Lebt mit einem Freund, Otto Neumann-Hofer, im Nordberliner Armeleutemilieu und entwickelt Interesse für sozialistische Bestrebungen.
Im Winter 1877 kehrt S. aus Geldmangel nach Heydekrug zurück. Erste literarische Versuche schlagen fehl. Es folgen häufigere Rückzüge nach Hause.
Ostern 1878 nimmt S. erneut das Studium in Berlin auf. Im Herbst 1878 wird er Hauslehrer bei dem Schriftsteller Hans Hopfen.
Von Januar 1879 bis Mai 1880 wirkt S. als Hauslehrer bei dem Bankier Neumann und nimmt im Herbst 1880 sein Studium wieder auf.
Vom Frühjahr 1881 bis 1883 arbeitet er als Journalist für das Ressort Politik bei der „Liberalen Korrespondenz“ (Parteiorgan der liberalen Sezession) sowie als freier Mitarbeiter beim „Reichsfreund“, dem „Berliner Tageblatt“ und der „Königsberger Allgemeinen“.
1881 wird S. Chefredakteur des von Heinrich Rickert (Führer der liberalen Sezession im preußischen Abgeordnetenhaus) neu gegründeten demokratischen „Deutschen Reichsblatt“, dem vierteljährig erscheinenden Volkswochenblatt der Liberalen.
Daneben arbeitet er als freier Schriftsteller, studiert weiter, insgesamt sechs Semester ohne Abschluss, beginnt eine später abgebrochene Dissertation.
1885 Studium in Jena, veröffentlicht Fortsetzungsromane und -erzählungen im „Reichsfreund“.
1886 erscheint sein erster Erzählband „Im Zwielicht“.
Dezember 1886 bis Juni 1887 ermöglichen vier Gönner S. einen ersten Italienaufenthalt.
16.11.1887 stirbt sein Vater Johann Sudermann; Hermann Sudermanns erster Roman „Frau Sorge“ erscheint kurze Zeit später noch im selben Jahr.
1889 – 1902 Zeit der großen Erfolge, Liberales Engagement und Blankensee
März 1889 S.s erster Aufenthalt in Paris.
27.11.1889 feierte er einen triumphalen Erfolg mit dem Schauspiel „Die Ehre“ im neu erbauten Berliner Lessingtheater (Fünf Wochen zuvor hatte Gerhart Hauptmanns Werk „Vor Sonnenaufgang“ dort Premiere).
S. pflegt einen großen Bekannten- und Freundeskreis, darunter Hede und Karl Hilgers, Fritz Mauthner, Joseph Kainz, Wilhelm Fließ, Ludwig Stein, Arthur Levysohn, Otto Neumann-Hofer, Paul Heyse, Friedrich Spielhagen, Paul Lindau, Ludwig Fulda.
1890 S. lernt Clara Julie Marie Auguste Lauckner, geb. Schulz (verwitwet, drei Kinder) bei Alexander Wyneken kennen, dem Mitbegründer und Chefredakteur der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“. S. provoziert mit seinem Drama „Sodoms Ende“ von 1890 einen Skandal, in dessen Folge Wilhelm II. ihm den Schillerpreis verweigert.
14.10.1891 Heirat von S. und Clara auf Helgoland.
14.06.1892 Geburt der Tochter Hede in Rauschen. S. wohnt in Königsberg, Rauschen, Dresden.
Mit dem Eintritt 1893 in die „Deutsche Schriftsteller Genossenschaft“ setzt sich S. energisch für die Rechte der Schriftsteller ein.
1894 besucht S. noch einmal Vorlesungen; Reisen nach Italien und Paris, mit Clara in Dresden.
1895 gründet S. mit Clara und Hede den Berliner Hausstand (die Lauckner-Kinder kommen in ein Internat in Dresden). Wahl zum Vorsitzenden des „Vereins Berliner Presse“.
1896 als Vorsitzender des „Vereins Berliner Presse“ wendet sich S. in Fragen der Pressefreiheit mit einer Petition an den Reichstag.
1897 S. pachtet das südlich von Berlin gelegene Schloss Blankensee von seinem Freund Victor von Thümen.
Seit 1900 ist S. Wortführer der außerparlamentarischen Opposition gegen die Lex Heinze, die die Freiheit der Kunst einzuengen drohte; am 15.3.1900 Mitbegründer des „Goethe-Bundes“ zur „Abwehr aller Angriffe gegen die freie Entwicklung des künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens“, organisiert zahlreiche Protestversammlungen in ganz Deutschland.
1902 reagiert S. mit der Streitschrift „Verrohung in der Theaterkritik“ auf polemische Anfeindungen, insbesondere seitens der Kritiker Alfred Kerr und Maximilian Harden, und provoziert damit erst recht die Eskalation der Auseinandersetzung, die seinem Ansehen in der Nachfolge sehr schaden sollte. Im selben Jahr erwirbt er Schloss Blankensee.
1903 – 1921 Reisen, Hinwendung zur Prosa und nationalkonservatives Engagement
Von November 1903 bis März 1904 reist S. in den Vorderen Orient, nach Ceylon und Ägypten als Reaktion auf die entflammte Presseschlacht um seine Person.
Pflegt nachbarschaftlichen Umgang mit Walther Rathenau, auch mit Fedor von Zobeltitz, Rudolf Presber, Leo Frobenius, Wilhelm Waldeyer-Hertz, Max Planck u. Walter Nernst.
1909 kauft S. die Villa in der Bettinastraße 3 in Berlin-Grunewald.
Ab den 1910er Jahren datieren die ersten Verfilmungen seiner Werke, so z.B. von „Heimat“ 1911/12, 1917, 1919, 1938; „Die Ehre“ 1914, 1926, 1968; „Katzensteg“ 1913, 1915, 1927, 1937/38, 1975.
In der Spielzeit 1911/12 gibt es 1169 Aufführungen seiner Stücke.
1912 wird S. der Preußische Kronenorden 3. Klasse durch Kaiser Wilhelm II. verliehen.
1914 ist S. Initiator des offenen Briefes „An die Kulturwelt“, der sich gegen die alliierte Kriegspropaganda richtet und 93 Unterzeichner aus Kultur und Wissenschaft findet. Im Gegensatz zu fast allen anderen zieht S. seine Unterschrift nach 1918 nicht zurück.
1914 gründet S. den „Kulturbund deutscher Gelehrter und Künstler“, dessen maßgeblicher Organisator er wird.
Ende 1916 zieht er sich nach körperlichem und nervlichem Zusammenbruch aus dem politischen Geschehen zurück und sucht Zuflucht im heimatlichen Heydekrug.
Im Nov. 1918 gründet S. den „Bund schaffender Künstler“ als Gegengewicht zum „Rat geistiger Arbeiter“, um Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Revolutionsregierung zu nehmen. Zusammen mit Gerhart Hauptmann plant er die Gründung einer „Partei der geistigen Arbeiter“, wird von diesem jedoch bei der organisatorischen Arbeit im Stich gelassen.
1922 – 1928 Letzte Jahre und letzte Werke
1922 im „Bilderbuch meiner Jugend“ hält S. Rückschau auf das eigene Leben.
27.5.1923 Tod der Mutter Dorothea Sudermann.
17.10.1924 stirbt S.s Frau Clara, in der Folge erleidet S. eine schwere seelische Krise.
1926 wird S. in das Präsidium des P.E.N.-Clubs Deutschland gewählt. Die Aufnahme in die neu geschaffene Sektion Dichtkunst der Berliner Akademie der Künste lehnt er jedoch am 28.10.1926 ab.
1927 verarbeitet S. rückblickend in dem Roman „Die Frau des Steffen Tromholt“ seine problematische Ehe. Anlässlich seines 70. Geburtstages malt Max Slevogt im Auftrag des Verlegers Robert Kröner das Porträt Sudermanns.
21.11.1928 stirbt Hermann Sudermann in Berlin. Der Roman „Wo der Strom stiller wird“ bleibt Fragment. In seinem Testament bestimmt er: „Es (gemeint ist das Schloss Blankensee) soll dann dem Verbande Deutscher Bühnenschriftsteller u. Bühnenkomponisten und dem Verbande deutscher Erzähler als gemeinsames Eigentum zufallen – und zwar als Zufluchtsstätte für kranke und bedürftige Mitglieder, doch nicht für deren Familien.“ Sein Gehirn wurde auf Wunsch Sudermanns dem Mediziner und Freund Oscar Vogt, Leiter des Kaiser Wilhelm Instituts für Hirnforschung in Berlin überlassen.
Hermann Sudermann liegt gemeinsam mit seiner Frau Clara auf dem Friedhof Berlin-Grunewald begraben.