Sudermann-Notgeld vor 90 Jahren
1921 erfuhr Hermann Sudermann eine Ehrung ungewöhnlicher Art. Sein ostpreußischer Heimatort Heydekrug, im Memelland gelegen (heute Silute in Litauen), ließ Notgeld mit seinem Konterfei drucken. Die Rückseite der Banknoten schmückte das Bild seines Elternhauses.
Notgeld war ein Phänomen der Jahre zwischen 1914 und 1923 gewesen. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verunsichert, hatten viele Sparer vorsorglich Gold- und Silbermünzen im Gesamtwert von mehr als zwei Milliarden Mark von den Banken abgehoben. Dadurch hofften sie wenigstens einen Teil ihres Vermögens im Metallwert zu erhalten. In der Folge wurde das Münzgeld knapp. Um Unruhen zu vermeiden, veranlasste das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe die Kommunen und Institutionen, Notgeld als Ersatz herauszugeben. Diese Ersatzwertzeichen waren zeitlich nur begrenzt gültig und wurden ausschließlich in den jeweiligen Kommunen akzeptiert.1
Waren die sonstigen Textpassagen auf den Heydekrugschen Notgeldscheinen den Werken Sudermanns entliehen, so nimmt der Dichter auf dem 1-Markschein auf die aktuelle politische Situation seiner Heimat Bezug: „Das Nationalgefühl, das als Liebe zum eigenen Volke edelste seelische Nahrung ist, wird zum zersetzenden Gifte, wenn es Haß gegen alles Fremdgeartete aus sich gebiert. Das Memelland hat es im Laufe der Jahrhunderte verstanden, Angehörige zweier Nationen durch friedliches Zusammenwirken beinahte restlos zu einem Volkstum zu verschmelzen. Die in Hader entflammte Welt möge es sich zum Vorbild nehmen!“
Das von der Bevölkerung sogenannte „Sudermann-Geld“ wurde am 28. Mai 1921 ausgegeben, zu einem Zeitpunkt, als das Memelland unter französischer Verwaltung stand. Nach der Kapitulation der Deutschen im Ersten Weltkrieg hatte ein Statut im Versailler Vertrag die Abtretung des Memellandes an die alliierten Siegermächte gefordert, dessen Verwaltung Frankreich am 16.2.1920 übernahm. Doch unruhige Zeiten standen der Region erst noch bevor. (Vgl. auch Brockhaus, 20. Auflage, 1998, Bd. 14, S. 476.)
Am 10.1.1923 besetzten litauische Freischärler das Memelland. Die Alliierten überließen in der „Konvention über das Memelland“ vom 8.5.1924 Litauen die Souveränität über das Memelland. Mit der Konvention erkannte Litauen zugleich das von der alliierten Botschafterkonferenz ausgearbeitete „Memelstatut“ vom 14.3.1924 an, das dem Memelland Autonomie gewährte. Eine fragile politische Lösung war damit gefunden worden, die am 22.3.1939 in der Annexion durch Nazideutschland ein Ende fand. Das Fanal des Zweiten Weltkrieges besiegelte für viele Memeldeutschen den Verlust ihrer Heimat. Hermann Sudermanns Hoffnung auf ein einvernehmliches Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen hatte sich nicht eingelöst.
1 Vergl. auch den Artikel „Kleinkunstwerke als Zahlungsmittel. Eine Ausstellung über deutsches Notgeld“ in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) vom 27.08.2001, S. 19.